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In maiorem dei gloriam

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railail's avatar
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Kapitel 1: Cuius regio, eius religio - Wessen Gebiet es ist, der bestimmt die Religion

Eine gigantische Feuerkugel schwebte unter dem kostbar verzierten Kuppeldach. Ihre Flammen zuckten träge und tauchten den düsteren Saal in ein unwirkliches Licht. Ich saß rittlings auf der Balustrade eines der zahlreichen Balkone, während mein Blick mit mäßigem Interesse umherschweifte.
Unter der kleinen Sonne ging es jäh in die Tiefe; zwischen Decke des Saals und dem Boden, den nur die Höchsten der Unseren zu betreten wagten, lagen ein
paar Hundert Galerien und Balkonreihen.
Bald würde jeder Sitz auf jedem Balkon gefüllt sein, das Volk sich auf den Galerien drängen. Aber noch war es still. Und die Stille brachte eine Kälte mit sich, die ungehindert in meinen Körper drang und ein seltsames, aber wohlbekanntes
Gefühl der Übelkeit hervorrief.
Es war immer so, wenn Er nicht anwesend war - als ob der Flammenkörper in der Kuppel einzig und allein für Ihn seine Wärme abstrahlte und für niemanden sonst. Aber das war nichts Eigenartiges; hier schien alles nur für Ihn und
seinetwegen zu existieren.
Bei diesem Gedanken runzelte ich die Stirn und seufzte. Wenn Er nur ein anderer gewesen wäre. Wenn doch alles anders gekommen wäre...
Ich musste lachen. Selbst dann würde wohl dies alles existieren und gewiss auch nur seinetwegen.
Aber vielleicht wäre es dann in diesem Moment nicht so kalt gewesen. Vielleicht hätte die Sonne geschienen, die manch einer hier noch nie gesehen hatte. Vielleicht war es Glück, dass ich es kannte, die Schönheit der Natur, ihre
Vielfalt. Rauschende, reißende Bäche, Vogelschwärme und Blumenmeere – all dies hatte ich mit eigenen Augen gesehen.
Und jetzt, umgeben von tristem, leblosem Ödland, brauchte ich nur die Augen zu schließen, um sie wieder vor mir zu sehen. Diese Bilder waren ein Schatz, den ich für den Rest meines Lebens bewahren würde und gleichzeitig ein Fluch, der mir unabwendbar eines Tages den Tod bringen würde.
Wo ich dann hinkäme, nach dem Tod? In den Himmel gewiss nicht, in die Hölle aber ebenso wenig, denn von jenem Ort war ich einst gekommen und an diesem Ort war
ich auch jetzt.
Himmel und Hölle. Zwei unheimlich unpräzise Wörter für zwei Reiche, die so vielschichtig und undurchsichtig sind, dass man wohl tausende Leben gebraucht hätte, um nur eines von beiden ganz erkunden zu können, mit all seinen Völkern, Fürsten und Herrschern.
Ob nun die Hölle eine Kehrseite der Erde war, die noch einmal in sieben Erden unterteilt war, und die von den sieben Himmelsreichen schalenartig wie in einem
Kuppelsystem umgeben wurde und jeweils mit einer Erde eine Einheit bildete, oder gar Himmel und Hölle zusammen die eine Seite teilten und die Erde auf der anderen Seite lag; darüber konnten sich die Menschen Gedanken machen. Für die Bewohner der Hölle und auch - das war mir aus Erfahrung bekannt – für die des
Himmels spielte das alles überhaupt keine Rolle. Vielleicht nur für einige wenige Wächter, die dafür verantwortlich waren, dass nichts durcheinander geriet.
Ein Donnergrollen mischte sich in die Stille und ließ mich hochschrecken. Es passierte mir jedes Mal, dass ich während des Wartens völlig in Erinnerungen oder Überlegungen versank; und fast immer war es dann jenes Grollen, das mich
wieder in die Gegenwart zurückholte.
Rimmon musste den Saal betreten haben. Es donnerte immer, wenn Rimmon den Saal betrat, denn Blitz und Donner waren seine Verbündeten. Er war ein Erzdämon,
ein Pendant zu den Himmlischen Erzengeln.
Und das Besondere an Rimmon war, dass er tatsächlich einmal zu den Großen Sieben, den sieben Erzengeln des Himmels gehört hatte. Einst hatte er sich mit göttlichem Recht neben Michael, Raphael, Uriel und Gabriel stellen können. Jetzt aber war von seinem Engelswesen nichts mehr übrig: Eine unheimliche Aura umgab das finstere Wesen, dessen langes, welliges, schwarzes Haar ohne
jede Ordnung am Kopf zu kleben schien. Leere, ebenso schwarze Augen machten nicht mehr den Eindruck als könnten sie sehen - das heißt, sehen konnten sie schon, aber wohl nur das, was da war; Tiefsinnigeres, das, was hinter allem steckte, vermochten sie nicht mehr zu erfassen.
In dem bleichen Gesicht war nichts mehr von einstiger engelhafter Milde,
Sanftheit und Verständnis. Die Züge des Erzdämons waren auf eine ausdruckslose
Art und Weise hart. Aber nichtsdestotrotz war Rimmon ein Wesen sphärischer,
bestialischer Schönheit geblieben.
Wie schon so oft beobachtete ich ihn und verlor mich wieder in Gedanken.
Das passierte mir wirklich häufig.
Ich beneidete ihn.
Nicht um sein Aussehen, sondern um seine Position in der Öffentlichkeit - also
seiner Position als Mitglied in der hochrangigen Gesellschaft der Hölle.
Rimmon saß als solches in der ersten Balkonreihe und die war nicht weit vom
geheiligten Boden entfernt.
Kurz: Der Erzdämon hatte die Chance, dass Er beim Betreten des Saales zu ihm gehen und seine Hand schütteln würde.
Oh, wie gern hätte ich auf seinem Platz gesessen ... Doch es war zu spät, sich weiter darüber Gedanken zu machen, denn in diesem Moment ertönte ein im wahrsten Sinne des Wortes höllisches Gejaule.
Baal betrat den Saal, seines Zeichens Meister aller infernalischen Zeremonien diesseits der Hölle - kein Geringerer als er durfte diese hohen Abende moderieren.
Inzwischen hatten sich fast alle Balkone gefüllt, nur wenige der großen Höllenfürsten fehlten noch.
Baal klatschte einmal in seine klobigen Hände.
Er war von wirklich kleinem, gedrungenem Wuchs - ich zum Beispiel überragte ihn um fast vier Köpfe und gehörte selbst nur zum unteren Mittelfeld. Unter den in jeder Hinsicht großen Fürsten schien er auf den ersten Blick völlig unterzugehen. Aber auch nur auf den ersten Blick.
"TACETE!"
Das war Baal. Eine tiefe Bassstimme, die Unwissende dem kleinen Dämonen
niemals zugeordnet hätten, grollte - viel lauter als Rimmons Donner - durch das
Gewölbe und ein noch bedrohlicher grollendes Echo folgte. Das war Latein.
Baal hätte auch eine andere Sprache nehmen können, um seinen Standarderöffnungssatz von sich zu geben, der im Übrigen übersetzt jedes Mal Schweigt! hieß, egal, in welcher Sprache.
Aber Latein war unsere lingua franca. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten,
die wir noch mit unseren himmlischen Brüdern teilten. Eigentlich war Baals Befehl vollkommen überflüssig. Denn, obwohl sich der Saal mittlerweile gefüllt hatte, war
es immer noch unheimlich still. Abgesehen von Rimmons Donnern.
Niemand sprach ein Wort. Eines hatte Baal also zweifellos erreicht: Die ungeteilte Aufmerksamkeit des Saals.
Ich wusste, dass er diese Momente genoss. Selbst, wenn auch jetzt alle – wie gewöhnlich – auf ihn hinab sahen, waren es doch andere Blicke: Baal stand auf dem heiligen Boden und darum beneidete ihn wohl jetzt ein jeder, der auf
einem Balkon sitzen musste.
Heilig. Ich mag dieses Wort. Es ist so ähnlich wie göttlich, aber es gibt einen feinen Unterschied: Wenn etwas göttlich ist, ist es zwar meist auch heilig, aber doch immer in irgendeiner Form Gott zugeordnet. Nun könnte mir der Glauben an Gott natürlich heilig sein, was definitiv nicht so ist, aber mir könnte auch der Schlaf heilig sein, oder besser: Die Erinnerungen an vergangene Zeiten.
Und natürlich war die Hölle nicht göttlich. Es mag zwar Engel geben, die auch die Hölle Gott zugehörig sehen, doch dies sind Theoretiker, die ihre Theorie sofort verwerfen würden, kämen sie nur einmal hierher.
Dass die Hölle etwas Heiliges hat, würde jeder Gläubige natürlich vehement verneinen. Aber halt! Waren wir nicht auch Gläubige?
Sicher nicht im eigentlichen Sinne. Wir fanden kein Heil in Gott, ergötzten uns nicht an seiner Güte - und weil wir seine Existenz nicht leugnen konnten, hassten und
verabscheuten wir ihn, denn er hatte uns verdammt. Gott war uns in keiner Weise heilig. Wir hatten Dinge, Orte, wie der Boden dieses Gewölbes, die uns heilig waren. Weil Er auf ihm wandelte. Er, der für uns gottgleich war.
"Ave, Luzifer!", erklang Baals Stimme plötzlich in nasalem Ton. Wieder schrak ich auf - ich verliere mich wirklich zu leicht in Gedanken.
Alles hatte sich erhoben, und auch ich stellte mich nun an die Balustrade meines Balkons.
Der von Baal vorgesprochene Ruf wurde nun von allen wiederholt, immer und immer wieder. Auch ich schloss mich dem an Intensität wachsenden Getöse an, dessen Ausmaß die Säulen des Himmels erzittern lassen und eines Tages
zum Einsturz bringen würde. So glaubten wir.
Es glich einer Beschwörungsformel, die in einem ungeordneten Echo in der Kuppel und im ganzen Gewölbe widerhallte.
Ave, Luzifer - sei gegrüßt, Luzifer.
Es war wie im alten Rom: Ave, Imperator! Morituri te salutant! Ja, dies traf wohl zu, Luzifer war unser Imperator, und wir die Todgeweihten, die Ihn grüßten. Nur waren wir natürlich viel älter als Rom ...
An excerpt of the first chapter of my Boys Love / Fantasy Novel "In maiorem dei gloriam", published by #FireangelsDA in February 2009. The book has a total of 494 pages, containing dozens of stunning illustrations by *EruNuo!

Frontcover:
Backcover:

If you want to see the illustrated preview, please take a look at: Kapitel1.pdf

For more information (ISBN etc.), please visit: IMDG@Fireangels
© 2010 - 2024 railail
Comments15
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SarielxRazielluvr's avatar
mann ich liebe dieses Buch!!!! :love: (und die Lilientod Bücher auch)
dein schreibstil ist einfach genial :D
und wird es eigentlich eine fortsetzung geben? (nicht dass es unbedingt eine geben muss, denn das Ende ist super so wie es ist, aber toll wärs schon)

~dein dir treu ergebener Fan Sariel